Kiel. Der Kieler Schlosshügel macht heute einen eher verträumten Eindruck. Das möchte der gebürtige Kieler Prof. Dr. h.c. Rüdiger Andreßen ändern. Nach seiner Vision sollte das Schloss zu einem Mittelpunkt der Stadt werden und dazu beitragen, die „schlafende Schönheit“ Kiel zu erwecken. Denn – so meint der Wirtschaftswissenschaftler Andreßen - die Landeshauptstadt habe wesentlich mehr Potential, als die Kieler selbst überhaupt ahnten.
„Kiel braucht eine Residenz“, sagt Andreßen, der Professor an fünf Universitäten im In- und Ausland ist. Dabei geht es ihm keinesfalls darum, das historische Schloss wieder aufzubauen, „Das wäre ein vollkommen falscher Grundgedanke.“ Andreßen schwebt das Konzept einer modernen Residenz vor, einem repräsentativen Ort, an dem unter anderem Tausende von Fähr- und Kreuzfahrttouristen, die regelmäßig in unmittelbarer Nähe des Schlosses anlanden, etwas über die Geschichte, die Bedeutung und die Besonderheiten der Stadt erfahren können. Doch nicht nur sie: Auch die Kieler selbst sind sich nach Andreßens Ansicht gar nicht darüber bewusst, dass sie - egal ob in Sport, Technik, Wissenschaft oder Wirtschaft - in einer Weltstadt lebten.
„Man hat Kiel vergessen“, so Andreßen, „Und die Kieler selbst haben Kiel ebenfalls vergessen.“ Sie hätten ihre Stadt seit dem Wiederaufbau nach dem Krieg stets weit unter Wert dargestellt. Dabei lägen die Goldklumpen, die es aufzuheben gelte, quasi direkt vor ihren Füßen: der weltweit bekannte Kiel-Kanal, die Werften, zwei Olympiaden. Große Erfindungen wie der Geigerzähler oder der Kreiselkompass haben in Kiel genauso ihren Ursprung wie mehrere Nobelpreisträger oder der gebürtige „Kieler Jung“, Zar Peter III., der durch seinen Sohn Paul das Überleben der russischen Romanows bis 1918 gesichert hat. Die Kieler Sprotten seien seit Peter dem Großen, dem Großvater Peters III., im ganzen russischsprachigen Raum als Kiljkas ein Begriff. „In Georgien kennt die jeder“, erzählt Andreßen, der seit vielen Jahren zwei Professuren in dem Land am Schwarzen Meer innehat. Nicht zuletzt die boomenden Hochschulen und das Uniklinikum machten Kiel zu einer Spitzenstadt.
„Kiel ist reif!“, findet Andreßen. Und der Zeitpunkt sei – Stichwort Olympia - besser denn je, um die Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken. Andreßen möchte im Schloss eine „Plattform für die Zukunft“ schaffen und das Schlossareal in die Moderne übertragen. Kurz: Die Außendarstellung der Landeshauptstadt Kiel soll hier einen (neuen) Mittelpunkt bekommen. Es dürfe nicht sein, dass die Massen an Touristen, die Kiel über die Ostsee regelmäßig anliefen, nach ihrer Ankunft direkt in den nächsten Bus nach Hamburg, Lübeck oder in den Citti-Park stiegen, meint der Wirtschaftswissenschaftler.
Er selbst hat einen ersten Schritt zur Aufwertung des Schlossareals angestoßen, indem er 20000 Krokuszwiebeln gespendet hat, die künftig jedes Frühjahr den Hang des Prinzengartens in ein Blütenmeer verwandeln sollen. Und zwar in den Farben der Christian-Albrechts-Universität (CAU), weiß und lila, passend zum 350-jährigen Jubiläum der Uni, die einst im Schloss gegründet wurde. Und Andreßen schweben weitere Maßnahmen vor, die das Schlossgelände attraktiver machen sollen, darunter die Wiedererrichtung des zweiten Schlossturmes oder eine Fußgängerbrücke, die den Zusammenhang zwischen Schlosshügel und –garten wiederherstellt.
Am 27. September veranstalten Prof. Rüdiger Andreßen und seine Frau Cordelia Andreßen im Kieler Schloss ein öffentliches Symposium unter Leitung des Historikers Prof. Dr. Oliver Auge von der CAU. Dabei beleuchten mehrere Referenten unter anderem die unterschiedlichen geschichtlichen Phasen des zentralen Kieler Bauwerks.
(Text von Christoph Jürgensen, Kieler Nachrichten vom 10.3.2015)